K.O.-Tropfen als gefährliches Werkzeug bei Vergewaltigung? Strafrecht Dresden
K.O.-Tropfen als gefährliches Werkzeug bei sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung § 177 StGB?
K.O.-Tropfen: Wenn jemand heimlich K.O.-Tropfen verwendet, um eine Person widerstandsunfähig zu machen und sexuell zu missbrauchen, betrachtet das LG Saarbrücken dies als Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs. Die Einstufung als besonders schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 8 StGB ist jedoch weiterhin umstritten.
Zum Sachverhalt: Ein Mann verabreichte seiner Mitarbeiterin heimlich ein alkoholhaltiges Getränk, das mit K.O.-Tropfen versetzt war. Nachdem sie in einen komaähnlichen Schlaf gefallen war, entkleidete er sie, fertigte intime Fotos an und drang in sie ein. Danach ließ er sie eine halbe Stunde allein im Auto. Das Landgericht Saarbrücken verurteilte ihn unter anderem wegen dieser Tat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten (Urteil vom 31.03.2023 – 3 KLs 35/22). Dabei bewertete es die Verwendung der K.O.-Tropfen als “Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs” im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 1 Alt. 2 StGB. Dieser sieht eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren vor, wenn der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet.
Das Gericht sah den Tatbestand der besonders schweren Vergewaltigung erfüllt, da er “bei der Tat ein anderes gefährliches Werkzeug” in Form von Gamma-Butyrolacton (GBL) verwendete. Dieser frei erhältliche Reiniger für Felgen und Industrie setzte die Geschädigte nicht nur in einen komatösen Zustand, sondern setzte sie auch erheblichen Gesundheitsrisiken aus, darunter drohende Erstickungs- und Herzstillstandsgefahr.
Umstritten ist dabei die Frage, ob Felgenreiniger ein gefährliches Werkzeug darstellt.
Während sich das LG in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des 2. Strafsenats des BGH befand (Beschluss vom 20.4.2017 – 2 StR 79/17), hatte der 4. Strafsenat zuvor die Substanz nicht als gefährliches Werkzeug eingestuft (NStZ 2009, 505). Die resultierende Strafdrohung für den angenommenen Tatbestand der schweren Vergewaltigung (Beschluss vom 24.5.2016 – 5 StR 163/16), der auch vom 5. Strafsenat angenommen wurde, wäre erheblich niedriger gewesen als in der vom LG bevorzugten Variante mit fünf Jahren. Da der Täter seine Revision zurückgenommen hat, wird der hier zuständige 6. Strafsenat des BGH selbst nicht mehr darüber entscheiden.
Die Richter des Saarbrücker Landgerichts begründen ihre Ansicht zunächst mit dem Wortlaut. Der Begriff “Werkzeug” könne auch als Synonym für “Gegenstand” verstanden werden, unter den auch betäubende Substanzen fallen könnten. Außerdem hat der Gesetzgeber in seiner Begründung Salzsäure als Beispiel für ein gefährliches Werkzeug genannt. Auch der Zweck der Norm spricht nach Ansicht des LG für diese Einordnung, weil die Gesundheit und das Leben der Geschädigten geschützt werden sollen. Die heimliche Verabreichung des Felgenreinigers ist gefährlicher und eingriffsintensiver als etwa das Vorhalten eines Messers als bloßes Drohinstrument. Die Richter verglichen die Verwendung von GBL auch mit dem heimtückischen Niederschlagen einer Person mit einem Knüppel und nachfolgender Bewusstlosigkeit, der in jedem Fall vom Qualifikationstatbestand erfasst würde.
Die Entscheidung steht im Einklang mit dem Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28.04.2023 (3 KLs 201 Js 109552/22). Auch dort gelangten sogenannte K.O.-Tropfen zur Anwendung. Das Landgericht Augsburg verdeutlichte in seiner Entscheidung (jedoch zum Betäubungsmittel Oxazepam) etwas stärker, dass nach der dort erfolgten Dosierung “deutlich über dem ambulanten therapeutischen Bereich” im konkreten Fall eine erhebliche Gefährlichkeit vor allem dadurch gegeben gewesen sei, dass der Angeklagte sich im Anschluss zum Schlafen in ein anderes Zimmer begeben und die Nebenklägerin unbeaufsichtigt gelassen habe. Die konkrete Verwendung des Betäubungsmittels, die bei der Nebenklägerin zu einem bewusstseinsgestörten, mindestens im Bereich der Sedierung liegenden Zustand geführt habe, hätte bis hin zum Erbrechen und Tod durch Aspiration und Ersticken führen können.
Erneut verdeutlicht dies, dass im Sexualstrafrecht jeder Einzelfall penibel und kritisch herausgearbeitet werden muss. Sexualstrafrecht ist für alle Beteiligten unangenehm. Fatal wird es, wenn ein Beschuldigter nicht ordentlich verteidigt wird und die Bewertung der Staatsanwaltschaft unkritisch vom Gericht übernommen wird. Hier geht es bei der Frage der Tatbestände im Zweifel um die Frage, ob drei oder fünf Jahre Mindestfreiheitsstrafe, in anderen Fällen womöglich um fünf Jahre Mindestfreiheitsstrafe oder Freispruch.
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